Fachwissen EMIR - Streitbeilegung

Sobald sich aus einem Portfolioabgleich bilateraler Derivatekontrakte zwischen den Kontrahenten Meinungsverschiedenheiten zu klärungsbedürftigen Abweichungen (Differenzen) ergeben, die nicht einvernehmlich gelöst werden können, kann ein Kontrahent nach Nr. 6 Abs. 3 EMIR Anhang eine Streitigkeit aus Portfolioabgleich und/ oder nach Nr. 7 Abs. 4 EMIR Anhang eine Streitigkeit aus einem Besicherungsprozess (Austausch von gestellten Sicherheiten zur Besicherung von Derivaten) erklären.


Weitere Einzelheiten hierzu werden im Art. 15 der Verordnung (EU) Nr. 149/2013 geregelt.

Den EMIR Anforderungen nach ist die Einrichtung von formalisierten Streitbeilegungsprozessen zum Zwecke einer Risikosteuerung verpflichtend. Die Anforderungen an die Streitbeilegung gelten auch für nichtfinanzielle Gegenparteien (mit der Ausnahme von BaFin Meldungen).

Eine Streitigkeit wird dem EMIR Anhang nach eröffnet, wenn ein Kontrahent im Falle von Differenzen einer Bewertung widerspricht. Wann tatsächlich ein Widerspruch erhoben wird obliegt auch der individuellen Entscheidung des Kontrahenten, inwieweit intern festgelegte Toleranzgrenzen überschritten wurden.

Die ESMA empfiehlt für denn Fall, dass nicht jede Abweichung aus dem Portfolioabgleich gleich als Streitigkeit gelten soll, dass die Kontrahenten vorab einen individuellen Schwellenwert (geringfügige Schwankungen) als zulässige Toleranzgrenze vereinbaren.

Im Sinne eines gemeinsamen Verständnisses ist es empfehlenswert, dass sich die beide Kontrahenten bei der Wortwahl einer Streiterklärung auf die Verwendung klarer und zweifelsfreier Formulierungen bereits im Vorfeld des Geschäftsabschlusses verständigen, beispielsweise durch Verwendung des Wortes Widerspruch unter Bezugnahme auf Art. 5 der Verordnung (EU) 149/2013 (Streitigkeit).

Empfehlenswert ist es auch eine Differenzenklärung aus dem Portfolioabgleichprozesses und ein eventuell darauf folgender Streitbeilegungsprozesses durch eine prozessuale Trennung klar erkennbar voneinander abzugrenzen.

Die Ermittlung des Streitwertes erfolgt prinzipiell auf Einzelgeschäftsebene. Wenn sich der Streitwert jedoch auf eine Besicherung bezieht, ist auch eine Ermittlung auf Portfoliobasis möglich, sofern der Streitgegenstand ebenfalls im Portfolio enthalten ist.

Kann eine erklärte Streitigkeit nicht innerhalb von 5 Tagen geklärt werden, so ist nach Nr. 7 Abs. 1 EMIR Anhang ein Konflikt und damit einhergehend der Beginn eines gesonderten Eskalationsprozesses eingetreten.

Für eine Streitbeilegung sind die EMIR Anhang zum DRV geregelte Streitbeilegungsklauseln zu verwenden, und zwar bei Streitigkeiten aus dem Portfolioabgleich bzgl. Bewertungsdifferenzen (Nr. 7 Abs. 2), bei übrigen Streitigkeiten aus dem Portfolioabgleich bzgl. Bestandsdifferenzen (Nr. 7 Abs. 3) sowie bei Streitigkeiten aus dem Austausch von Sicherheiten (Nr. 7 Abs. 4).

Bei Streitigkeiten ist mindestens zu dokumentieren:

» Datum der Streiterklärung

» Name des Kontrahenten

» Nummer des Geschäftsabschlusses

» Höhe Abweichungsbetrag mit Währungsangabe (sofern Bewertungsdifferenz)

» Datum der Klärung (sofern erfolgt)

Anmerkung:

Sofern beide Kontrahenten TriResolve Vollmitglieder sind und strittige Portfolioabgleich über diese Plattform durchgeführt wurde, kann diese Plattform auch für die Aufzeichnung von Streitigkeiten genutzt werden

Beide Kontrahentenmüssen ihre aufgezeichnete Informationen über Streitigkeiten mindestens 5 Jahre nach Ende des Geschäftes aufbewahren.

Eskalationsprozess

Streitigkeiten, die nicht binnen 5 Geschäftstagen geklärt werden können, werden als Konflikte bezeichnet. Konflikte unterliegen wiederum einem Eskalationsprozess, welcher bei einer finanziellen Gegenpartei (Kreditinstitut) mit den Anforderungen der MaRisk (Information an Überwachungsvorstand und Innenrevision, Marktgerechtigkeitsprüfung u.ä.) verzahnt sein sollte.

Eskalationsprozess bei Bestandsdifferenzen

Erfordert in der Regel zunächst eine interne Abstimmung bei den jeweiligen Kontrahenten über das weitere Vorgehen.

 

Eskalationsprozess bei Bewertungsdifferenzen

Will ein Kontrahent für das strittige Geschäft eine Neubewertung vornehmen, so sind die Quotierungen von 4 Referenzbanken einzuholen, wobei 2 davon von dem anderen Kontrahenten benannt werden.

Ziel der Neubewertung ist Klarheit zu schaffen, welcher der Kontrahenten in den Bestandssystemen den richtigen Marktwert führt, so dass zukünftige Abgleiche nicht erneut zu einer gleichgelagerten Streitigkeit führen.

 

Anmerkung: Für den Fall, dass mit diesem Vorgehen dennoch kein Einvernehmen zwischen den Kontrahenten erreicht wird, sollte die Auflösung des betroffenen Geschäftes und bei Bedarf auch der bestehenden Geschäftsbeziehung in Erwägung gezogen werden.

Eine bestehende Dokumentation über eine Streitigkeit muss im Falle eines Konflikts um Angaben zum Ende des Konfliktes sowie zur BaFin Meldepflicht ergänzt werden.

Hinweis:

Für finanzielle Gegenparteien gilt bei Konflikten auch eine BaFin Melderelevanz, d.h. ein offener Konflikt mit einem Streitwert über 15 Mio. EUR, der mindestens 10 Tage (zzgl. der als Streitigkeit deklarierten 5 Tage) andauert, ist gemäß Art. 15 Abs. 2 der EU Verordnung Nr. 149/2013 nach Geschäftsschluss des 15. Tages ohne vorherige Anforderung der nationalen Aufsichtsbehörde mindestens monatlich für den zurückliegenden Monat zu melden.

Streitbeilegung aus Besicherungsprozess

Vorgaben für die Klärung und Dokumentation von Streitigkeiten aus einem Besicherungsprozess unterliegen dann den EMIR Anforderungen, sofern beide Kontrahenten einen im Zusammenhang eines Derivatekontraktes stehenden Austausch von Sicherheiten vereinbart haben.

Dieses erfolgt i.d.R. durch Abschluss eines Besicherungsanhangs zum Deutschen Rahmenvertrag, wobei insbesondere die Vorgaben der Nr. 7 Abs. 4 und Nr. 6 Abs. 4 ff (Neubewertung zu Bestimmung des Ausfallrisikos bzw. des Anrechnungswertes der Sicherheiten) zu beachten sind.

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